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Der Schmied von Hjelmeland

Von Leif S. Rode

Rechtsanwalt Leif S. Rode war Georg Fjellbergs Verteidiger.
Er verfasste diesen Text zur Einweihung des Gedenksteines.

Fjellberg hieß er. Von Natur
war er stark - mit breitem Rücken.
Wie Fels und Berg war seine Statur.
Ein Arbeitstier mit geschickter Hand
und Schmied im Hjelmeland.

Nach vorn ragte, voller Energie,
sein Kopf von der starken Schulterpartie
wie beim Elch in freier Flur.
In seiner großen, geballten Hand
verschwand die Deine ohne Spur.
Doch seine Augen waren sanft,
vertrauensvoll, gütig war sein Blick,
arglos und fragend sein Verstand.
Nun aber stand er als Bösewicht
vor dem deutschen Reichsgericht.

Im Kriege war er gleich dabei,
doch löste kaum ´nen Schuss.
In Røldal hieß es: schon vorbei,
der Krieg, der ist schon schluss.
Sie trennten sich und zogen heim.
Der Hauptmann dankte allen sehr
und sandte Rüstzeug und Gewehr
mit jedem einz´len Mann:
„Gebt acht auf dieses Pfand
und haltet damit Stand.“

Sieben Gewehre waren Bestand,
die mussten mit heim aufs Land.
Der Schmied nahm sich der Sache an.
Bald war das Wichtigste getan,
bevor er seinen Weg dann fand,
griff er noch ´nen Patronenkasten,
wollt damit auch noch sich belasten.
Daheim in der Schmiede war viel zu tun
Blieb keine Zeit ihm lange zu ruhn.
Bevor er richtig kam in Form
legte er weg die Uniform.
Doch über seine Arbeitslivree
zog er die Armbinde der Armee.
Noch immer war er ja Soldat
und Schmied nur jetzt privat.

Er packte an und schaffte für drei,
er arbeitete bei Tag und Nacht.
Vorsichtig holte er dann herbei
die Dinge, die er mitgebracht.
Alles lag noch im Versteck
in einer dunklen Eck.
Er putzte alles mit Paraffin,
pflegt´s dann mit Öl und Vaselin,
all dem, was Stahl und Eisen braucht,
denn lange wird es nun verstaut.
Alles soll in die Berge hinaus,
bevor er zurückkehrt spät nach Haus.

Doch war er – ein simpler Schmied –
dem Auftrag ebenbürtig?
Wie stand´s mit seiner Kleidung,
war sie den Diensten würdig?
Zwar war die Binde am Arme klar,
doch er fasst die Entscheidung,
er wollte zeigen, wer er war.
Schnell überquerte er den Platz
hinauf zum Speicher nahm er Satz.
Er kannte keine gängige Norm
für diese Arbeit, und als er runterkam
war er in Uniform.

Ein Buch von Rittern und Turnieren
war nie sein Favorit.
Doch der Anzug, den er trug,
zeigte seiner Dame Kolorit:
Mit graugrüner Hose, Rock und Hut
erwies er der Heimat Reverenz
mit des Soldaten Würde und Konfidenz.

Nun war er klar, und schon bald
ging´s hoch hinauf in Berg und Wald.
Man sollte denken, dass acht Gewehre
volle Last gewesen wäre,
doch mit einem dicken Tross
band er zwei Kisten mit Geschoss
obenauf noch als Reserve.

Weit weg von Volk und Steige
wusst´ er ein Felsgesimse.
Dort wollt er hin
so schnell es ging,
rasch aufwärts wie ´ne Gämse.
Die steifen Läufe der Haubitzen
sahen aus wie Schaufelspitzen,
wie er dort kletterte, glich seine Kontur
noch mehr als sonst des Elches Natur.

War er jederzeit bereit?
War seine Büchse klar,
wenn er witterte Gefahr?
Niemand weiß Bescheid.

Im Herbst – die Berge waren noch nicht weiß,
kam von den Deutschen das Geheiß,
dass Waffen und Gewehre
von allen abzugeben wäre.

Im Hjelmeland, weit in die Berge rein,
lag eine große Platte aus Stein.
Auf das, was drunter war angebracht,
gaben die Berge selber Acht.

Bei der Esse in der Ortschaft,
schwang er den Hammer voller Kraft.
Außer ihm gab´s keine Quelle,
niemand wusste von heimlicher Stelle.
Keiner konnte munkeln,
denn alles lag im Dunkeln.
Nur ein Stück Jute unter den Steigen
lag leer – und wusste zu schweigen.

So ging ein Jahr ins Land,
bis dann ein Denunziant
die Tür zur Schmiede fand.
Aus war´s mit der Verschwiegenheit,
der Schmied stand vor der Gerichtsbarkeit.
Es blinkte von Stahl und Ehrenplakette,
streng und steif war die Etikette.
Er hörte fremder Zunge Diktion.
Doch wie immer ruhig und besonnen
beschrieb er, wie er´s begonnen.
Wie er nach Befehl und Funktion
setzte ins Werk die Expedition.

Als er nun redete vor Gericht,
man nahm das Wort ihm nicht,
bis die Geschichte war erzählt
und schließlich übersetzt.
Nun sollt er dem Gericht noch sagen,
ob alles er allein getragen.
Man zweifelte an solcher Kraft,
ahnte jedoch seine Täterschaft.
„Ja, sicher war´s ne schwere Fracht,
die ich trug durch dunkle Nacht,
ich konnte dabei nicht hasten
und musste öfter rasten.“

Ja, hatte er denn nicht verstanden,
dass alle Waffen den Deutschen zustanden.
„Die Order galt nicht mir.
Ich besaß kein einziges Gewehr.
Sie waren zwar in meiner Hand,
gehörten aber dem Kommandant.
Ich hatte kein Recht, sie zu verlieren.
Mein Auftrag war – ich muss insistieren,
sie gut und sicher einzuquartieren.“

„Sie meinen, Sie hätten Vertrauen zerstört,
wenn Sie zu schweigen aufgehört?“
„Ja, hätte ich den Dienst verweigert,
hätt´ ich auch meine Ehr versteigert.
Den Befehl, das muss man kapieren,
konnt´ nur der Hauptmann annullieren.
Und sollt ich die Waffen übergeben,
musst er erst den Befehl aufheben.“

Doch würde nicht später mit diesen Gewehren
auf die Deutschen geschossen werden?
Einen Augenblick konnte der Schmied nichts sagen.
„Das müssen Sie den Hauptmann fragen,
davon hab ich nichts vernommen,
ich hab sie nur ins Versteck mitgenommen.“
„Ist denn der Hauptmann noch am Leben?“
„Mir ist nichts andres angegeben.“

„So wollen Sie uns glauben lassen,
dass Sie nicht selbst allein erfassen,
dass jetzt für Sie und sonst überall
die Deutschen befehlen – in jedem Fall?“
Die Frage war drohend, die Stimmen wie Metall.
„Ich steh nicht unter fremder Instruktion“,
klar war des Schmiedes Reaktion.

Ich blickte verstohlen hin zum Kläger
und von ihm zum Waffenträger.
Eine Kluft war zwischen den Kontrahenten,
hier gab´s wohl nichts mehr einzulenken.
Es schien, als wenn von den steilen Bergwänden
sich zwei hier gegenüberständen.

Ich lauschte seinen klaren Worten,
wo hatte ich ähnliches gehört – an welchen Orten?
Ja, nach Osten und Norden herüber,
der Schmied war von Sverre Dufvas Kaliber.
Zwar stand er unbewaffnet vor Gericht,
was Sven Dufvas nicht entspricht:
Allein stand dieser auf ´ner Brücke Wacht,
und rang wie der Schmied gegen Übermacht.
Beide Männer taten ihre Pflicht
und hielten fest an ihrer Destination
im finnischen Wald und Norwegens Gebirgsregion.
Ein Auftrag, den man hat erhalten,
muss man schließlich beibehalten.
Man tut, was man für richtig hält,
auch wenn man dabei fällt.
Das ist des Soldaten A und O.
Ein Deutscher sollte es respektieren,
doch „es ist kindisch ganz und gar“
ließ die Anklage barsch replizieren.

Der Kläger verlor nun die Geduld,
natürlich trage der Schmied die Schuld.
Hätte man nicht geplant eine Offensive?
Dies sei doch alles eine gemeine Intrige.
Wenn er nur die Waffen wollte beiseitelegen
warum sie dann gründlich schmieren und pflegen
und nach mühsamem Weg im Gebirge hinterlegen?
Warum konnte er die alten Waffen
nicht einfach als Müll ins Meer fortschaffen?

Da schaute verwundert der brave Mann,
denn für den Schmied von Hjelmeland
war´s eine Sünde gegen Gott
wertvolles Gut zu verschwenden als Schrott.
Gute Waffen zerstören sei zu brutal,
denn Metall und Eisen seien ein Kapital.
Dann verschlug es dem Schmied schier die Sprache,
aber wir ahnten, was er dachte:
gleich kommt der Kläger vor Wut in Rage.

Der Verteidiger legte nun darauf Wert:
den Schmied habe niemand jemals gelehrt,
was alles das Militär verlangt,
doch eines sei dem Schmied wohl bekannt,
einem Befehl sei Folge zu leisten,
ihn zu verweigern, wollt er sich nicht erdreisten.
Der Verteidiger zitierte des Klägers Ansicht:
„Der Schmied sei kindlich – und das mag sein,
doch hohes Reichsgericht, dann leuchtet es ein:
Er ist kein Bösewicht,
und auf ein Kind – da schießt man nicht!“

Dann fiel das Urteil – kurz und deutlich
auf Gnade zu hoffen, war hier vergeblich.
Das Gericht müsse ihn schuldig sprechen,
das Urteil zum Tode sei nicht anzufechten.

Der Schmied stand blass, doch aufrecht nach wie vor.
Sterben sollte er wie Sven Dufva zuvor
als norwegischer Soldat gegen Übermacht.
Er stand da voller Kraft – es war eine Pracht.
Und er sagte leise, doch mit Gewicht:
„Dies ist ein Fehler – hohes Reichsgericht!“

Ein wenig traurig sah er aus,
doch mit festem Handdruck ging er hinaus.
Und wir sahen sein starkes, klares Profil
als man ihn abtransportierte im Automobil.

Wir gaben nicht auf und hatten noch Hoffnung,
nach fünfundzwanzig Tagen kam die Enttäuschung.
In der Zeitung wurde es publiziert:
Für das Fortschaffen der Feuerwaffen
war Fjellberg, der Schmied, nun liquidiert.

Wie sich sein Ende zugetragen,
niemanden konnten wir danach fragen.
Dass er aufrecht ging und sich nicht verkroch,
das wissen wir auf jeden Fall doch.
Nur wenige Männer zeigen den Weg uns an,
so sicher darin, dass sie recht getan.

Er nährte nicht Feindschaft – nicht Widerwille,
den Worten des Pfarrers lauschte er stille.
Er wollte verstehen, was all dies war.
Doch das Urteil war ihm völlig unklar
und ohne jeden Gehalt.
So lange, wie er noch hatte Gewalt
über sich selbst und seine Sicht,
kam ihm der Satz nicht aus dem Sinn,
den er sagte zu Beginn:
„Dies ist ein Fehler – hohes Gericht!“
Und in seinen arglosen Augen stand
sein fragender Gemütszustand,

was niemand dort verstand.